Einfach mal das Gegenteil machen

Heute ist „Gegenteil-Tag“

auch eine Art des Neustarts

Es gibt ihn wirklich, diesen Gegenteil-Tag oder National Opposite Day!

Angeblich stammt der Gegenteil-Tag aus der amerikanischen Politik. Derzeit sind Kuriositäten aus dem Weißen Haus ja leider nichts Ungewöhnliches. Allerdings liegt der Ursprung des Gegenteil-Tages bereits deutlich länger zurück: Wikipedia schreibt seine Erfindung dem US-Politiker Alexander Kerr Craig (1828 bis 1892) zu, der angeblich am 25. Januar 1872 den ersten „Opposite Day“ begangen hat. Belege dafür gibt es jedoch nicht.

Im Internet finden sich diverse Auflistungen von skurrilen Gedenk- und Aktionstagen. Die meisten davon ziemlich abgedreht! Aber dieser hier, der immer am 25.01. eines Jahres – also genau heute – stattfindet, ist ein passender Impuls für das Thema Neustart.

Denn – einmal bewusst das Gegenteil von etwas Gewohntem zu machen, ist ja dann wieder neu. Und es hat zur Folge, dass wir das Gewohnte plötzlich aus anderer Perspektive betrachten.

 

Stelle nicht gleich alles auf den Kopf,

aber mache doch (heute) mal bewusst in vielen kleinen Dingen das Gegenteil. Die kleinen Routinen, die viele von uns haben, eignen sich dafür hervorragend:

  • Normalerweise holt dein Partner immer die Brötchen? Übernimm das doch heute mal, bzw. wenn es bereits später ist, dann eben morgen!
  • Du fährst immer in einen bestimmten Supermarkt zum Einkaufen? Fahre doch einfach mal in einen Supermarkt, in dem du sonst nie einkaufst!
  • Du putzt am Wochenende immer die Wohnung? Nimm dir 1/2 Stunde für das Allernötigste und den Rest lässt du einfach mal sein!
  • Du rufst deine Eltern/Kinder immer zu bestimmten Zeiten an? Wähl dieses Mal eine andere Zeit.
  • Du putzt dir immer mit der rechten bzw. linken Hand die Zähne? Nimm heute Abend bewusst die andere Hand!

Das waren nur ein paar Beispiele. Sei einfach kreativ! Überlege dir 5 Dinge, von denen du heute bewusst das Gegenteil machst, sofort wenn du den Artikel zu Ende gelesen hast.

Und diejenigen, die jetzt denken: „Och nö, keine Lust!“, die machen jetzt genau das Gegenteil und schreiben sich die 5 Dinge sogar noch auf, bevor sie sie umsetzen!

Wenn du das durchziehst, dann liegst du heute Abend im Bett, und dein Tag war mal „irgendwie anders“ – eine interessante Erfahrung!

 

Das „Gegenteil“ als wirksame Technik in der Psychotherapie

Was zunächst ein wenig spielerisch beschrieben wurde, ist als psychologische Technik unter dem Namen Paradoxe Intention bekannt.

Sie geht auf Viktor Frankl, dem Begründer der Logotherapie, zurück. Er hatte die Idee, dass sich manche Probleme wahrscheinlich einfacher und effektiver auf einem indirekten Wege lösen lassen.

Frankl ermutigte Patienten mit Sozialen Phobien, Zwangsstörungen und Ängsten, ihre problematischen Verhaltensweisen nicht länger zu bekämpfen. Dabei ging er bewusst über das reine Akzeptieren hinaus und forderte sie dazu auf, ihre Ängste und Zwänge sogar übertrieben zu unterstützen, indem sie genau das tun sollten, was sie am meisten fürchteten.

So sollten Menschen, die in für sie aufregenden Situationen beginnen zu stottern, versuchen, absichtlich richtig viel zu stottern. Patienten, die unter zwanghaftem Händewaschen leiden, sollten sich vornehmen, sich doppelt so häufig die Hände zu waschen wie bisher.

Weitere bekannte Anwendungen finden sich in der Behandlung von Menschen, die zu starkem Schwitzen neigen und deshalb eine Soziale Phobie entwickeln. Anstatt mit der Erwartungsangst „Gleich kriege ich bestimmt wieder einen Schweißausbruch“ unter Menschen zu gehen, sollten sie sich vornehmen, den anderen Menschen einmal zu zeigen, wie toll sie schwitzen können.

Behandlung von Schlafstörungen

Der Klassiker für die Anwendung der Paradoxen Intention ist die Behandlung von Schlafstörungen: Menschen, die bereits mit der Angst zu Bett gehen, wieder nicht einschlafen zu können, verschrieb Frankl die Therapie, sich zu bemühen, so lange wie möglich wach zu bleiben. Sobald dadurch die Angst vor einer schlaflosen Nacht durchbrochen war, war die Schlafstörung geheilt.

Diese Technik wird „Symptomverschreibung“ genannt. Eine Behandlung, die genau das Gegenteil von dem verordnet, was sie eigentlich erreichen will. Sie wurde von vielen Psychologen aufgegriffen und irgendwann umbenannt in paradoxe Intervention.

Wird diese Technik durch den Therapeuten richtig angeleitet, besteht ihr Erfolg darin, dass die Betroffenen sich von ihrer Erwartungsangst, also der „Angst vor der Angst“ distanzieren. Sie sollen nun das, was sie am meisten fürchten, bewusst herbeiführen – und in dem Moment verliert es seinen Schrecken! Das Gefühl der Selbstwirksamkeit in Kombination mit einem gewissen Humor lässt die Ängste verschwinden.

 

Das Spiel mit den Gegensätzen im Selbstmanagement

In seinem Buch „Mach’s falsch, und du machst es richtig: Die Kunst der paradoxen Lebensführung“ beschreibt Christian Ankowitsch, dass es zu unserer tiefsten Überzeugung gehört, kompetente und selbstbestimmte Subjekte zu sein. Wir glauben deshalb, dass wir jederzeit selbst darüber entscheiden können, was wir wann tun oder auch nicht tun. Und wir sind überzeugt, dass wir schaffen, was wir uns vornehmen.

Ich glaube, jeder Maler & Anstreicher, der schon einmal irgendwo ein Schild aufgehängt hat „Vorsicht, frisch gestrichen!“, weiß zu berichten, dass es einige Menschen gibt, die mal eben mit dem Finger auf die gestrichene Stelle tippen müssen.

Warum? Weil dieser Satz signalisiert „Das darfst Du nicht anfassen!“ und uns damit in unserer Handlungsfreiheit einschränkt. Da rebelliert das Ego – unbewusst und im Bruchteil von Sekunden. Zumindest bei den Menschen, die noch inmitten von Geboten und Anweisungen in der Lage sind, die leise Stimme ihres Inneren zu vernehmen.

Das „Gegenteil“ als Hilfe bei blockierenden Glaubenssätzen

Wenn du also öfter hörst oder denkst „Du darfst das nicht!“, dann werde mal einen Moment ganz still. Höre in dich hinein, was sagt denn dein Ego dazu? Und wenn da auch nur ein leises Flüstern ist, dann strecke symbolisch den Finger aus und tippe das Verbot mal an – vielleicht ist die Farbe längst trocken…!

Ankowitsch schreibt ebenfalls, dass das Ego unbewusst davon überzeugt ist, dass wir schaffen, was wir uns vornehmen. Schauen wir daher doch jetzt mal aus dieser Perspektive auf den bekannten Glaubenssatz „Ich schaff das nicht!“

Anstatt nun – wie so oft empfohlen – mit positiven Affirmationen zu arbeiten oder den Glaubenssatz nach reiflicher Analyse der verursachenden Kindheitserlebnisse umzuformulieren, brauchen wir doch nur eines zu tun: Unser Ego bedienen und wie ein dreijähriger Trotzkopf zu uns sagen „Jetzt erst Recht!“

Wenn du schon einmal Erfolg hattest – sei er noch so klein – weil du genau das Gegenteil von dem getan hast, was du oder andere eigentlich erwarteten, dann schreibe es gerne in die Kommentare! Ich freue mich darüber und lese sie alle!

Du möchtest regelmäßig Input zu Achtsamem Selbstmanagement? Trage dich einfach hier mit dem Vermerk „Newsletter“ ein!

Autor