Was für ein Idiot!

Eine Lektion in Achtsamkeit am frühen Morgen

„Was für ein Idiot!“  Ich denke ein jeder von uns hat diesen Satz schon ausgesprochen oder zumindest gedacht, wenn er Andere in ihrem Handeln beobachtete.

Ich auch: in einer Gruppe von 15 Reisenden waren wir auf einer Gulet eine Woche in der Türkischen Ägäis unterwegs. Wie jede Nacht hatten wir in einer Bucht geankert. In dieser hier gab es einen kleinen Strand mit grobkörnigem Sand, an dem zwei Zelte aufgebaut waren. Die zu den Campern gehörenden Autos standen etwas weiter oberhalb.

Es war drückend heiß gewesen, und das Gezirpe der Grillen ließ mich recht früh erwachen und an Deck gehen. Noch ein wenig müde betrachtete ich die friedvolle Szenerie und glaubte mich eins mit der Natur.

Plötzlich kam ein Auto an den Strand gefahren. Es parkte jedoch nicht in der Reihe der anderen Fahrzeuge, sondern drehte und rollte dann rückwärts immer näher an die Wasserlinie. Eine Frau entstieg der Beifahrerseite und wies den Fahrer ein. Es gab ein paar kleine Manöver, um das linke Vorderrad über einen Stein zu bugsieren, so dass dieser als Bremsklotz diente.

Der „Idiot“ am Strand

Mittlerweile saß ich nicht mehr alleine an Deck. Zwei weitere Frühaufsteher waren aus ihren Kojen gekrochen, und gemeinsam beobachteten wir das Schauspiel. Es fielen Sätze wie „Laufen zum Strand ist etwas für Weicheier“ oder „Ich steige nur noch vom Auto aus ins Meer“. Traulich einte uns die gemeinsame Entrüstung über „diesen Idioten“.

Die Frau machte den Kofferraum auf. Sie entnahm ihm ein kleines Holzgestell und ging damit zur Fahrertür, die sich in dem Moment öffnete. Der Fahrer hangelte sich aus dem Auto auf das Gestell, rutschte damit bis zum Spülsaum und ließ sich dann weiter in tieferes Wasser gleiten. Ganz langsam, ganz gelassen und ganz bei sich selbst genoss dieser gelähmte Mann sein Bad im Meer…

Die Idioten auf dem Schiff

Die Idioten aber waren wir: Verhaftet in konditionierten Denkmustern vorschnell urteilend, genüsslich vereint in unserer Empörung. Doch nach den beschämenden Sekunden des Erkennens erfüllt von tiefer Dankbarkeit für die Lektion in Achtsamkeit, die dieser Mann uns erteilt hatte!

 

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